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Im August 2020 veröffentlichen Lord Of The Lost erneut ein Ensemble-Album und erweitern die Swan Songs-Reihe damit zur Trilogie. „Swan Songs III“ erscheint bei Napalm Records im 2-CD-Digipak. Außerdem gibt es für den Fan der Band wieder eine Auswahl an weiteren speziellen Editionen, wie das limitierte Deluxe Boxset, ein ebenso limitiertes Earbook sowie eine Vinyl-Variante. Letztere beinhaltet allerdings ausschließlich die exklusiv für dieses Album geschriebenen Songs.

Das Artwork des Covers zeigt ein sehr kreatives und detailreich ausgearbeitetes Bild, auf dem man bei genauerem Hinsehen neben neuen Elementen auch altbekannte Symboliken der Vorgänger wiederfindet. Das Hauptmotiv, auf dem Sänger Chris Harms hinter einer Frau steht, eine Hand ihre Augen verdeckend, während die zweite den Cellobogen an ihre Kehle führt, lässt eine Menge Spielraum für Interpretationen.

Wie bei der Swan Song-Reihe üblich, splittet sich der Inhalt des Albums in zwei Teile auf. Die erste CD präsentiert die Songs, die speziell für Swan Songs III“ geschrieben wurden, während auf der zweiten eine Reihe an neu arrangierter Songs der „lauten Alben“ zu finden ist.

Mit „A Splintered Mind“ schicken Lord Of The Lost gleich zu Beginn des Albums einen ihrer stärksten neuen Songs in den Ring. Dieses Stück hat alles, wofür die Swan Songs-Reihe steht: Eine vielschichtige Instrumentation, die sich von den ersten Textpassagen bis hin zum Refrain immer mehr aufbaut, einen emotional aufwühlenden und dramatischen Text und die Stimme von Sänger Chris Harms, die dieses Gefühl genauso glaubhaft transportiert.

Mit „A One Ton Heart“ und „Dying On The Moon“ folgen zwei weitere Songs, die die Band bereits vor Veröffentlichung des Albums zusammen mit einem Musikvideo in die Welt hinausschickte. Für letzteren wurde zum ersten Mal seit Beginn der Swan Songs-Reihe eine Duettpartnerin mit ins Boot geholt. Mit Joy Frost hat man sich hier für eine Stimme entschieden, die nicht nur dieses Stück mit einer wunderbaren Wärme an den Hörer heranträgt, sondern die vor allem auch perfekt mit der Stimme von Chris Harms harmoniert.

Nach diesen drei ersten Stücken erreicht man plötzlich einen kleinen Wendepunkt des Albums. Lord Of The Lost werden mutiger und verlassen jetzt das gewohnte Gefilde mit den gewohnt erfolgreichen Songmustern zu Beginn. „Zunya“ macht diesen Bruch besonders deutlich. Chris Harms selbst bezeichnete den Song kürzlich als den Western-Soundtrack von Lord Of The Lost. Genau als solcher kommt er sowohl musikalisch als auch textlich beim Hörer an, denn man fühlt sich direkt in eine entsprechende Kulisse versetzt. Ein erfrischend anderer Swan Song.
So geht es auch mit den darauffolgenden Stücken „Unfeel“ und „Deathless“ weiter, die beide in ihrer Instrumentation ganz besonders den klassischen Charakter des Albums hervorheben.

Eine ganz besondere Perle auf „Swan Songs III“ findet man in dem Song „Agape“, ein Song, der in seiner ursprünglichen Form bereits vor Jahren geschrieben wurde. Der ein oder andere treue Verfolger des musikalischen Werdegangs von Sänger Chris Harms wird diesen Song bereits durch seine ehemalige Band The Pleasures kennen. Auf „Swan Songs III“ kommt er nun in einem neuen Gewand zurück, welches ihm erst ermöglicht, sich richtig zu entfalten. Das ist der Ort, an den dieser Song mit all seiner Tiefe und Verzweiflung unbedingt gehört. Das Streichersolo im Brückenteil ist mit eines der schönsten des gesamten Albums.

Mit „Hurt Again“ erklimmen Lord Of The Lost schließlich noch einmal den Gipfel an Emotionen in Bezug auf die eigenen seelischen Abgründe, ehe sie bei „Amber“ erstaunlich ruhige Töne anschlagen. Der Song entpuppt sich als Schlaflied in einem recht düsteren Gewand. Musikalisch beschränkte man sich hier zu Beginn passenderweise eher auf eine minimalistische Umsetzung. Mit voranschreitender Zeit baut sich der Song jedoch gewaltig auf, insbesondere durch den Gesang, der mit einem Mal sehr kräftig und rau klingt.

Das Album endet schließlich mit einem weiteren besonderen Song. „We Were Young“ wurde zusammen mit dem Heaven Can Wait-Chor aufgenommen, einem Chor aus Ü70-Senioren (eine Dokumentation zur Entstehung des Songs gab es beim ZDF). Die Stimmen dieser Menschen, die tatsächlich auf ein langes, ereignisreiches Leben zurückblicken können, verleihen diesem Song eine Tiefe und Emotionen, die glaubhafter und berührender nicht sein könnten. Ein wahrlicher Gänsehautmoment zum Schluss.

Im Anschluss folgt auf CD 1 als Bonus „4‘33“, welches ein Cover des Stückes von John Cage darstellt. Wie im Original werden mit den Instrumenten keine hörbaren Töne erzeugt. Es bleibt still.
Außerdem folgen eine weitere Version des Songs „Dying On The Moon“, dieses Mal ohne den Gesang von Joy Frost, sowie die ZDF-Variante des Songs „We Were Young“.

Auf CD 2 erwarten den Hörer nun acht Songs aus den „lauten Alben“ der Band, die neu arrangiert im klassischen Gewand daherkommen. Bei der Wahl und Umsetzung der Songs hat man bei „Swan Songs III“ ganze Arbeit geleistet. Den Schwerpunkt hat die Band klar beim letzten Album „Thornstar“ gesetzt und gleich vier Songs aus diesem ausgewählt, was definitiv eine gute Entscheidung war. Aufgrund der Komplexität der Originalsongs entstanden sehr bombastische Werke. Es stechen besonders „Black  Halo“ und „Cut Me Out“ hervor. Letzterer hat emotional nochmal sehr an Tiefe gewonnen und klingt in dieser Version insgesamt vollkommener als in seiner Ursprungsform. Aber auch die anderen vier Songs haben ihre Berechtigung auf diesem Album. „Seven Days Of Anavrin“ entfernt sich dabei am weitesten vom eigentlichen Original. Auf Anhieb ist der Song nicht mehr zu erkennen, doch ist dies keineswegs negativ zu sehen. Das Ensemble gibt dem Song ein neues Gesicht, das ihm ein ganz anderes Gefühl verleiht.
Ebenso hervorzuheben ist der Song „My Heart Is Black“, der nun durch die gewaltige Wirkung des Orchesters umso mehr wie ein Aufmarsch zu einer Schlacht klingt. Damit bildet er den perfekten Auftakt für das große Finale des Albums.

Auf „Swan Songs III“ wagen sich Lord Of The Lost noch einmal an den längsten Song ihrer Bandgeschichte heran. „Letters To Home“ ist bereits in seiner Originalfassung auf dem Album „Die Tomorrow“ fernab von einem normalen Lord Of The Lost-Song. Es ist ein Epos, eine ganze Geschichte in Musik verpackt, die den Hörer durch Berg und Tal führt und zu Tränen rührt. Ein solches Werk nun in einem rein klassischen Gewand neu zu präsentieren, schürt natürlich hohe Erwartungen.
Was die Band hier zusammen mit dem Ensemble rein musikalisch geschaffen hat, erfüllt wohl jede davon. Insbesondere beim Übergang zum Kapitel II: "Into The Killing Fields" toppt diese Version die ursprüngliche Songvariante um Längen. Anders als im Original hat man bei der Swan Songs-Version außerdem auf die durchgehenden harten Growls im Schlachten-Teil verzichtet, was jedoch keinesfalls negativ zu sehen ist.
Nichtsdestotrotz gibt es einen kleinen Wermutstropfen bei der neuen Version. Denn stimmlich ist bei Kapitel I und V hier leider das Gefühl der Originalversion ein Stück weit verloren gegangen. Es fehlt die Wärme, die bei der ersten Aufnahme zu hören war, das Zerbrechliche in der Stimme an den passenden Stellen. Sicher, die neue Aufnahme brauchte es, denn natürlich möchte niemand einen Abklatsch des Originals hören. Dennoch ist das Gefühl hier ein anderes.
In seiner Gesamtheit bleibt „Letters To Home“ aber definitiv das, was es ist: Ein gigantisches Kriegsepos und Highlight auf „Swan Songs III“, das eigentlich danach schreit irgendwann in einem (Kurz-)Film verarbeitet zu werden.

Wer sich die Earbook-Variante des Albums gekauft hat, darf sich im Anschluss das gesamte Doppelalbum nun auch noch in reinen Instrumentalversionen als „Swan Symphonies“ zu Gemüte führen. Außerdem beinhaltet das Earbook eine spezielle Demo-CD mit noch rohen ersten Aufnahmen der neuen Songs.
Besitzer des Deluxe Boxsets kommen außerdem in den Genuss einer Live-Aufnahme der Jubiläumsshow zum 10-jährigen Bandjubiläum am 06. Dezember 2019 in Hamburg.


-> Fazit:
Lord Of The Lost schaffen es, mit ihrem dritten Ensemble-Album an den Erfolg der Swan Songs-Reihe anzuschließen und stellen wieder einen wundervollen Kontrast zu ihren sonstigen Rock-Alben her. Insbesondere die Auswahl der „alten Stücke“ ist hier perfekt gelungen und stellt sicher, dass die Highlights nicht nur bei den neuen Songs zu finden sind.
Die Hörer wären sicher nicht abgeneigt, sollte man sich dazu entscheiden, aus der Trilogie in den nächsten Jahren eine Tetralogie zu machen.


©Text Sarah 'Greeny'